Kommunikationskiller

Kategorien: Olivers Texte

Raus aus dem Bahnhof, am Puff vorbei, kurz einen Blick ins italienische Restaurant geworfen und endlich auf der Straße, die nach Hause führt. Gleich ist dieser grauenhafte Tag voller dämlicher Karnevalisten geschafft. Türe zu, Licht aus und die Welt kann mich kreuzweise. Würde mir da nicht diese Horde pubertierender Mädchen den Weg versperren.
Zum Glück habe ich einen Discman als Schutz dabei, denn so kann ich Taubheit antäuschen. Die Horde ist in Smalltalk vertieft, der hin und wieder durch einen jungfräulich-untervögelten Lachanfall unterbrochen wird. Sie haben mich noch nicht bemerkt. Mir hingegen fällt auf, dass sich alle Mitglieder dieser Gruppierung sehr ähneln. Ob es nun Emos waren oder nicht, konnte ich nicht sagen, denn ich habe sie nicht von oben gesehen.
Schnell vorbei.
Nach unten sehen.
Discman aufdrehen.
Ja!
Gleich geschafft.
Fuck. Sie folgen mir.

Ich fühle mich zeitweise wie der Rattenfängler von Hameln. Um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, werden sie furchtbar laut. Jedoch traue ich mich nicht, mich umzudrehen. Sie holen auf.

„Lalalalalalala! LALALALALALALA!!!“
„Der ignoriert uns!“
„Hihihihihihihi. Der ignoriert uns!“
„Habe ich doch schon gesagt! Huhuhuhuhu!“
„Ob der uns hört?! LALALALALA!!!“

Ich will doch nur nach Hause. Das kann doch nicht zuviel verlangt sein.
Sie laufen nun neben mir. Ich überlege kurz, was zu tun ist und komme zu den Schluß: Angriff ist die beste Verteidigung.

„Lalalalala. Hallo! HALLO!“
Ich: „Ja.“

Das Hordenmitglied mit den dümmlichsten Schuhen spricht mich an. Sie muss ca. 16 Jahre alt sein und hat eine wirklich seltsame Frisur, die nur noch durch die penetrant nervige Stimme übertroffen wird.

Sie: „Musik ist ein Kommunikationskiller.“
Ich schaue sie nur an.
Sie: „Musik ist ein KOMMUNIKATONSKILLER!“
Ich: „Ich verstehe kein Wort.“
Sie: „KOMMUNIKATIONSKILLER!!!“
Ich: „Ja.“

Sie ziehen vorbei und drehen sich nicht nochmal um. Danke, Discman. Du hast mich gerettet. Und auch wenn Morrissey nicht gehört wurde, soll er an dieser Stelle zitiert werden:
Don’t forget the songs
That made you cry
And the songs that saved your life

Weil mich diese Begegnung mit der Mädchen-Horde so nachhaltig beeinflußt hat, ließ ich meinen Kumpel daran teilhaben.

Ich: „Du wirst es nicht glauben, Frauen reagieren doch noch auf mich.“
Er: „Du solltest das rosa Shirt nicht mehr anziehen. So erregst du weniger Aufsehen.“
Ich: „Es hatte ausnahmsweise nichts mit Äußerlichkeiten zu tun.“
Er: „Wieviel musstest du zahlen?“
Ich: „Ich ignoriere das nun einfach mal. Ich ging an der Sparkasse vorbei und da stand eine Mädchenhorde. Sie verfolgten mich und wollten meine Aufmerksamkeit erregen. Weißt du, was das für ein Gefühl ist, fünf Mädchen laufen dir hinterher und du hast deinen Discman auf? Es hatte was Rock/Popstar-mässiges. Ich stellte mir vor, ich wäre Robbie Williams und finde mein Hotelzimmer nicht.“
Er: „Das heißt also sie waren alle minderjährig.“
Ich: „Es war dunkel. Robbie hätte das auch nicht gestört.“
Er: „Kann es sein, dass sie einfach nur in deine Richtung wollten? Ich mein, die Sparkasse verliert auch mal ihre Reize.“
Ich: „Kann sein, muss aber nicht. Denn eine von denen sprach mich trotz meiner abweisenden Art an. Sie hatte wirklich seltsame Schuhe an.“
Er: „Und? Hast du sie gefickt?“
Ich: „Nein, wie ich sagte: Die Schuhe waren wirklich seltsam.“
Er: „Ok, aber ich hoffe, die Geschichte wird dennoch irgendwie interessant.“
Ich: „Sie sagte zu mir, dass Musik der reinste Kommunikationskiller sei.“
Er: „Wie weise. Vielleicht war sie doch älter, als sie aussah. Eine überreife Hausmutti, die ihre Tochter imitiert und mit dem Nachbarsjungen schläft.“
Ich: „Wenn man mal so drüber nachdenkt, hatte sie sehr wohl recht. Durch die Musik auf meinen Ohren war eine gehaltvolle Kommunikation geradezu unmöglich.“
Er: „Hm. Ja, ich bin so froh, dass du das ansprichst. Wird dieses Gespräch denn noch irgendwie gehaltvoll?“
Ich: „Ich habe nun alles gesagt, was mir dazu einfällt.“
Er: „Was ist mit den anderen? Hast du die gefickt? Oder haben sie dir auch weise Dinge ins Ohr geflüstert?“
Ich: „Ich denke nicht und wenn mir noch was dazu einfallen sollte, lasse ich es dich wissen.“
Er: „Was hast du da überhaupt für Musik gehört?“
Ich: „Laute.“

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