Briefe an Beuys | Kniegedanken
Lieber Joseph,
gestern musste ich an Dich denken. Eine wirre Frau schimpfte „Fick dich ins Knie!“ und meinte zu allem Überfluss auch noch mich. Wie vielseitig ein Knie doch sein kann. Ficken und Denken. Ich dachte, das schließt einander immer aus.
Laut einer Postkarte, die ich in einem Museum mitgehen ließ, denkst Du „nur mit dem Knie“. Mit Verlaub, mein lieber Joseph, das finde ich grandios. Mit dem üblichen grauen Zellenapparat zu denken, empfinde ich beizeiten nicht nur anstrengend, sondern im zunehmenden Alter immer sinnentleerter. Du kennst die anderen Laberköpfe, die da behaupten: „Ich denke, also bin ich.“ Ja, was denn? Was bin ich? Ist das eine Frage oder soll das eine Antwort sein? Da möchte man ja direkt einen Chinakeks zerbröseln, wo per Zettelchen verkündet wird: „Der Weg ist das Ziel“.
Wobei „der Weg“ ja auch noch begangen werden müsste. Da kommt wieder Dein redseliges Knie ins Spiel, da es den Transport unterstützt. Im Ernstfall wird es ganz schön gefordert, so ein Knie. Ficken, Denken und nun auch wandern. Wohin auch immer. Und das alles gleichzeitig.
Aber irgendwie scheint Dich das ja nie abgehalten zu haben. Von daher möchte ich diese Überlebenstaktik gerne übernehmen. Weg mit dem Hirn! Alle wichtigen Entscheidungen treffe ich ab sofort nur noch per Knie! Stehe ich heute auf? Das Knie entscheidet. Ziehe ich heute Unterwäsche an? Ein Fall für das Knie. Kaffee mit oder ohne Milch und Zucker? Zum Glück steht mein Knie mir bei.
Und wenn mir wieder so eine tourettegebeutelte Frau entgegen schmettert, mich doch ins Denkzentrum „zu ficken“, dann stehe ich drüber. Ich denke, also bin ich: Fuck it.
Mfg
Oliver
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